Das Geschlecht von Rosa ist immer noch Neutrum // Pink does not have a gender

Seit einiger Zeit benutze ich mein Auto nur noch wenig. Eigentlich nur noch, wenn ich richtig krank bin oder weitere Strecken bestreiten muss, die in keinem Verhältnis zur mit dem Fahrrad benötigten Reisedauer stehen. Ansonsten verwende ich ein Zweirad zur Fortbewegung, unter anderem selbstverständlich, um meinen Kalorienverbrauch weiter anzukurbeln.

Diese Tatsache stellt mich nun kleidungstechnisch vor eine gewisse Krux, denn die kurbelnde Pedalbewegung wird insbesondere im Winter durch schwere Hosen nicht unwesentlich eingeschränkt. Eine ausgiebige Suche im Interweb förderte bald eine Lösung zutage: Den Fahrradknicker. Zu Deutsch eine Kniebundhose, wenn auch ohne den im Namen enthaltenen, gebundenen Abschluss am Knie. Nachdem ich bereits einige Pfunde verloren hatte, bot ein Unternehmen in den USA doch tatsächlich ein ebensolches Modell in meiner Größe an.

Um die mit diesem Kleidungsstück verbundene Beinfreiheit nun auch im Winter zu ermöglichen, stieg ich auf dicke Fußballsocken um, die bis unter den Rand reichen. Eine wirklich wunderbare Lösung, die sich auch bei -10 Grad diesen Winter noch als ausgesprochen angenehm erweist. Da deutsche Autofahrer nun in der Mehrzahl der Meinung sind, die Straße gehöre ausschließlich ihnen, neigen sie dazu, Zweiradfahrer gefährlich zuverlässig aus ihrer Wahrnehmung im Straßenverkehr auszublenden. Diese Tatsache veranlasste mich dazu, mir eben diese Fußballsocken in so grellen Farbkombinationen wie irgend möglich zu besorgen. Und ein Sockenpaar, das ist so grell Hotpink, dass selbst meine Augen zu tränen beginnen, wenn ich sie erblicke.

Wenn du dich bis eben gefragt hast, ob das jetzt schon wieder so ein Post ohne Transbezug ist, bitte ich dich, noch kurz die Luft anzuhalten. Ich bin gleich soweit. Die hotpinken Strümpfe haben im Straßenverkehr absolut die gewünschte Wirkung, ähnlich meiner leuchtend orangefarbenen Wintermütze: Autofahrer starren sie an, können nicht umhin, sie wahrzunehmen. Manchmal – so musste ich inzwischen ab und zu amüsiert feststellen – vergessen sie darüber sogar kurzfristig die restlichen Autos.

So weit, so gut. Sobald ich von meinem Fahrrad steige, tut sich interessanterweise jedoch ein gänzlich anderes Thema bei der Interaktion bezüglich meiner Kleidungswahl auf. Insbesondere Nachbarn und Menschen, die mich lange kennen, zu denen ich aber keinen engeren Kontakt pflege, beginnen mir wieder einmal, die Welt zu erklären. Gestern hörte ich zum Beispiel folgenden, eher süffisant intonierten Satz: „Deine Socken sind aber schon ganz schön weiblich, Max.“ Und da war er, der Transbezug.

Seit meiner Transition habe ich nachweislich eine gewisse Leidenschaft für Rosafarbtöne entwickelt. Ich vermute, das hat damit zu tun, dass ich Pink (sowohl die Farbe, als auch die Sängerin übrigens) endstufengeil finde, die Zuweisung dieser Farbe aber einfach nur furchtbar. Jetzt, in meinem endstufengeilen Körper, ist mir das aber endlich egal. Nenn mich kleingeistig.

Exakt in diesem Moment klickte es also bei mir und folgende Antwort suchte sich ihren Weg: „Also erstens sind das Fußballsocken (ok, schon ein bisschen defensiv) und zweitens ist das Geschlecht von Pink meines Wissens immer noch Neutrum.“ „Naja, stimmt auch wieder“, gab die andere Person zurück. Und um sie nicht vollends zu vergrätzen schob ich nach: „Spaß an Pink hab ich aber eigentlich auch erst jetzt. Und primär sollte die Farbe in den Augen wehtun und sichtbar sein.“

Ich gebe zu, die Coolness des Satzes mit dem Neutrum leidet nachhaltig unter dem Nachschub, aber so ist es im echten Leben halt: Max ist zwar schlagfertig, aber leider nicht scharfzüngig genug für die Menschheit.

Das Coole ist: Diese Beobachtung ist absolut richtig! Farben gehören in der deutschen Sprache, so sie nominalisiert werden, dem Neutrum an. Der korrekte Artikel lautet entsprechend „das“ und nicht „die“ oder „der“. Farben gehören uns allen, verdammt. Woher kommt diese beschissene Nummer, uns bestimmte Töne einfach zu vermiesen, indem wir sie einem binären Geschlecht zuschreiben? Oder wie meine Freundin M. sagte, als ich ihr davon erzählte: „Hä? Warum darf denn ein Max nicht mit Rosa, Pink oder anderen Farben spielen? Immer noch die alten Geschichten. Wenn die anderen nur wüssten, wie viel Spaß ihnen im Leben entgeht.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Naja, doch noch ein bisschen was, pardon. Kinderüberraschung in Rosa für Mädchen und Hellblau für Jungens. Das ist der wahre Genderwahn unserer Zeit. Wir beschränken unser Hirn freiwillig, lassen uns Reaktionen und Vorlieben nach unserem vermeintlichen Geschlecht diktieren. Wie beschissen reaktionär ist das denn? So beschissen, dass selbst deutlich gebildete Menschen sich bei meinem rosafarbenen Glücksbärchie-Fastnachtskostüm bemüßigt sehen, zu kommentieren: „Na, bereust du deinen Schritt jetzt doch?“ Deutliches Kopfschütteln meinerseits brachte diese Situation zum Schweigen.

Ich kehre zurück zu Ms eigentlich perfektem Schlusssatz. „Wenn die anderen nur wüssten, wie viel Spaß ihnen im Leben entgeht“. In Zeiten, in denen das von mir geliebte Rot und Blau sich zu Braun vermischen, ist Schillern erste Bürgerpflicht. Das reimt sich schon fast. Und was sich reimt, ist gut. Wusste schon der Pumuckl. Und der hat ja bekanntlich auch eine Vorliebe für Grelles. Guten Abend.

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It’s been a while since I have been using my car on a daily basis. Lately it only gets some miles when I feel genuinely ill (some might argue that this is a reason against getting behind a wheel, yes) or need to cover larger distances that defy the ratio of distance to time travelled in such a manner. Apart from that I tend to use my bicycle to get from A to B. As you might have guessed correctly, burning off some calories is also part of the equation.

In terms of clothing this new practice put me somewhere between a rock and a hard place, as the rotating movement of the pedals is impeded to a significant degree by heavy, long pants, which are the clothing of choice during cold winters. But interweb to the rescue, I found a solution pretty soon: bike knickers. The German word Kniebundhose (literally „knee-bound pants“) is actually describing pretty well, where those pants end, namely a little bit below the knee, thus offering protection to the knee while still enabling freedom of movement. And as I have lost a little bit of poundage over the last couple of years I finally found a company that actually carried bike knickers in my size!!

To provide me with the aforementioned freedom of movement in winter, I purchased several pairs of thick soccer socks (try saying that real fast for a tongue-twister-experience), which end above the hem of the knickers. This solution clearly was a winner that left me with toasty legs even at the -10°C of this winter. As German motorists tend to believe that the road is theirs and theirs alone, they are prone to ignoring everyone participating in road traffic without a motor with deadly certainty. Which motivated me to get said soccer socks in as neon-crazy colors, as possible. And one of them turned out to be so hot pink that my eyes start to water whenever I see them.

In case you just started wondering whether this is another blog entry without much of a trans storyline, I implore you to wait just a second longer and it will all become clear. The hot pink socks proved to be as effective in road traffic as I had hoped, very similar to my bright orange winter hat: Drivers stare at them because they can’t help but noticing the eye-watering goodness in front of them – sometimes even a tad too long or too intensely, as it happens that they forget the other cars around them for a bit. Much to my satisfaction, I might add.

So far, so good. As soon as I get off my bike, communication then very fast swings to my choice of clothing regarding – you might have guessed it – to my chosen gender expression. Interestingly enough, it is neighbors and people I tend to know for a longer stretch of time without getting close that start cisplaining the world to me. There. I coined a new term. Or have I? Or in other words: people in congruence with their gender assigned at birth trying to explain my role in society to me. Yesterday for instance, I had to hear the following sentence, spoken with a sufficient degree of smugness to make me raise my eyebrows: „Your socks are quite female, Max, don’t you think?“ And there it was, my trans moment of the week.

I have to admit that since transitioning I have grown quite fond of clothing in shades of pink. I think this has to do with the fact that i love pink (the color as much as the singer, btw) to bits but have no love at all for the gender gap surrounding it. Now that I love my new body to bits as well, I couldn’t care less, finally. Call me small-minded.

Exactly at that moment, something in me snapped in place and the following answer escaped my mouth: „First of all, those are socker socks (ok, I might have to work on my defensiveness there), and second, last time I checked, the gender of pink in German was still neuter.“ „Well, that is true“, my opponent admitted. And because I didn’t want to burn bridges and enable the much cited learning curve, I added: „I started having fun wearing pink only now, after transitioning. But mainly I bought them because they needed to hurt the eyes and be visible in road traffic.“

I have to admit that the retort regarding the neuter noun significantly suffers from loss of sharpness caused by this addendum, but that’s how life works: Max is quick on his feet, but only rarely scratches with his nails.

The cool thing is that this observation about the neuter noun, which so nicely made my point there, is actually very telling: As soon as colors are turned from an adjective into a noun, they are neutered (the English definited article „the“ is turned into der, die, das (the male, the female, the neuter)) in German. Colors are for everyone, dammit!! Where did that notion come from that it is OK to restrict the use of certain colors to binary genders? Or, as my friend M. said when I told her about it: „Huh? Why the hell can’t Max play with pink or other colors? Hasn’t anything changed? If people only knew, how much fun they are missing out on!“

Not much to add to that. Well, maybe there is. Chocolate in pink for girls and in light blue for boys, that is the real gender drama of our age. Not people finally living their lives and asking for correct pronouns. We allow media and companies to restrict our brains to liking stuff up to a certain line that is defined by binary gender stereotypes. That’s reactionary as fuck! And it works so well that even people on whose education and open-mindedness I once gave a lot, feel entitled to comment on my pink care bear costume for Mardi Gras by saying:  „Oh Max, are you regretting your choice now?“ Me shaking my head to the point of whiplash ended this moment.

Which brings me back to M’s perfect final sentence. „If people only knew how much fun they are missing out on.“  In times when red and blue (the party colors of the so-called alternative for Germany AfD) turns into brown, sparkling becomes a civic duty. In German that rhymes. And all that rhymes is good, said Pumuckl (a goblin-like figure beloved by children in Germany with – wait for it – hot pink hair).  He is right in his love for dazzling colors. We should follow him in that.

Befangenheitsklausel // Inhibition grande

Vor beinahe drei Jahren habe ich mit meiner körperlichen und damit auch gesellschaftlichen Transition von Frau zu Mann begonnen. Knapp anderthalb Jahre später mussten dann auch meine Brüste dran glauben und bescherten mir das Projekt Hühnerbrust. Aber es gibt Dinge, die werden mir erst jetzt richtig klar, während ich mich so langsam daran gewöhne, wie die Außenwelt meine Erscheinung inzwischen wahrnimmt und verortet. Eines dieser Dinge ist eine Tatsache, die ich bemerke, wenn ich mit Menschen interagiere, die nicht P. oder enge Freunde und Familie sind: Ich fühle mich gehemmt im Umgang mit Cis-Frauen, also Frauen, die mit dem ihnen bei Geburt aufgrund ihres Körpers zugeordneten Geschlechts kongruent leben.

So isses.

Ein Beispiel hierzu.  Solange ich für die Außenwelt noch als Frau erschien, fühlte ich mich nie unwohl dabei, eine Frau, die ich nicht so gut kannte, als Form des Trostes zu umarmen. Das ist nun komplett anders. Was dies verursacht, ist vermutlich eine Vorstellung in meinem Hinterkopf, dass ich bei dieser Handlung als übergriffig oder gar belästigend wahrgenommen werden könnte. Und um der Sache die Krone aufzusetzen, fühle ich dieses Zögern insbesondere dann, wenn (heterosexuelle) Cis-Männer anwesend sind – denn mit ihnen ist dieser Austausch von Mitgefühl gefühlt sehr einfach: meist reicht ein kräftiger Händedruck vollständig, um das Gefühl zu transportieren.

Jetzt, wo ich genauer darüber nachdenke, kommt es mir fast vor, als sei dieses „Problem“ eher ein Ringen mit Geschlechterklischees in meinem Kopf: „Heterosexuelle“ Männer, die nicht der Partner, ein Freund oder Familie der Frau sind, umarmen nämlich nicht ganz einfach mal eben so. Diese körperliche Nähe könnte als sehr seltsam und vor allem unerbeten erscheinen. Es könnte aber auch sein, dass es sich um einen riesigen, aufgeblasenen Hirnpups meinerseits handelt.

Was kann ich also tun, wenn ich das Gefühl habe, eine Person wirklich trösten zu wollen? Fragen, ob eine Umarmung ok wäre? Das fühlt sich einfach nur schmierig an. Diese Situation hat sich im Arbeitskontext in letzter Zeit mehrfach ergeben und ich habe jeweils beschlossen, nach einigem Herumgeeiere kurz den Arm oder die Schulter der Person zu berühren, statt zu umarmen. Zusätzlich habe ich mein Mitgefühl ausdrücklich verbal untermauert. Derzeit kommt mir dieses Vorgehen am sichersten vor, auch wenn ich mich irgendwie nicht so ganz authentisch dabei fühle – denn ich bin und bleibe ein herzlicher, manchmal eben auch körperlich naher Mensch.

Diese Geschichte hat irgendwie kein richtiges Ende, weil es sich ja um eine andauernde und nicht gelöste Situation handelt. Da ich in letzter Zeit den Blog aber irgendwie fast schon vernachlässigt habe und ich nicht ständig mit der Leier von meinem doofen Blutdruck nerven möchte, poste ich das einfach jetzt und werde gegebenenfalls ein Update verfassen, wenn mir was Schlaueres dazu einfällt.

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I am now almost three years into my physical and social transition from female to male and almost 1.5 years post-op top surgery. And there are things, that seem to become visible now that I am easing into who I represent to the outside world. Lately I have been noticing something in my interactions with people other than P. or close family and friends: I feel inhibited when interacting with cis women.

There. I said it.

An example. While I was still presenting as female to the outside world, I would never have shied away from hugging a woman that I wasn’t close friends with for means of providing comfort in a distressing situation. Now I do. I think what lies in the back of that is that I fear being perceived as invasive, encroaching even. And it is a hesitation I oddly enough feel most, when cis men are present, who are in some case even partners of the women in question. Because with them it is easy pickings. A handshake will suffice completely, most of the time.

Come to think of it, what kind of sounds like a fight with gender clichées in my head, might be just that. Namely the convention that „heterosexual“ men who are not your partner, close friend or family will not hug strangers for comfort. I feel like it might be uncalled for and could freak them out. But maybe it is just me having an enormous brain fart.

What can I do about that urge to comfort someone, though? Simply asking whether a hug would be ok just feels sleazy. I have been in that situation during work several times now and I have resorted to touching an arm or a shoulder in place of a bone-crushing hug. And to expressing my extreme sympathies verbally. Problem is, that change of acting towards others has left me feeling hollow, just not me. I am a hearty, and yes, sometimes also physically close guy.

As I haven’t posted that much lately, I have decided to post stuff I am not through with staking out, yet. I will keep you posted on the matter.